Glückskind
Ein "Glückskind" ist unser Patient des Jahres 2016 im wahrsten Sinne des Wortes.
Im Januar 2016, knappe vier Monate zu früh erblickte "Glückskind" im heimischen Stall das Licht der Welt.
Mit 23 kg, kleiner als unser "Kippi", Haut wie Pergament, weder geh- noch stehfähig, sowie stark unterkühlt standen "Minnis" Chancen mehr als schlecht. Eins hat uns "Minni" aber vom ersten Tag an gezeigt, dass sie ein Kämpfer-Herz hat und so schnell nicht aufgibt!
Nach einigen gescheiterten Versuchen das Neugeborene im Stall ans Euter der Mutter zu setzten, um es mit dem überlebenswichtigen Colostrum zu versorgen wurde schnell klar, dass das kein alltäglicher Patient werden würde.
Im Handumdrehen wurden Stute und Fohlen vom Besitzer zu uns in die Praxis gefahren um intensivstmedizinisch versorgt zu werden.
Auch nach vielen Infusionen, Plasma-Transfusionen, Rotlicht, wärmenden Westen, Pullovern und viel Liebe von allen Mitarbeitern und Mutterstute konnte unser "Minni" nicht am Euter saugen.
So musste "Minni" eine Nasenschlundsonde über die Nase in den Magen gelegt werden um sie künstlich mit Muttermilch zu ernähren.
Stündlich wurde die Stute per Hand abgemolken, die kostbare Milch gefiltert und dem Fohlen langsam über die Sonde eingegeben.
Stündlich... auch in der Nacht...
Leider war das nicht "Minnis" einzige Sorge....
Durch unzählige Aufstehversuche zu Hause hatte sich Dekubitus im Bereich der linken Hinterhand und des Brustbeins gebildet. Von Tag zu Tag löste sich immer mehr Haut ab, sodass nun auch noch Verbände angelegt werden mussten.
Neben unserem alltäglichen Praxisbetrieb versorgten wir unseren Schützling nach einem straffen Versorgungsplan:
Aufstellen und Stehen üben, Umbetten, Melken, Filtern, Tränken, Windeln wechseln, Spritzen, Temperatur messen, Verband wechseln, Kleidung wechseln, Bett neu "beziehen", kuscheln, wiegen......
Nach einer Woche hatte "Minni" schon 2 kg zugenommen und war erstmal auf dem aufsteigendem Ast, sodass ein erster Ausflug in die Pferdebehandlung anstand.
Kaum war eine Komplikation aus der Welt geschafft, folgte mindestens eine neue.
Zum einen hatte die Mutter Probleme genügend Milch zu geben, so dass "Minni"auf eine künstliche Ersatzmilch umgestellt werden musste. Diese führte zu einer Verstopfung mit hochgradigen Koliken.
Wieder mussten wir tagelang um das junge Leben kämpfen und weiter bangen.
Nach vier Wochen intensivster Betreuung war das gröbste geschafft, die Sonde konnte gezogen werden, die Waage zeigte knapp 40 kg
und Ausflüge auf dem Hof und in der Reithalle waren nun an der Tagesordnung.
Doch erneut mussten wir einen Rückschlag hinnehmen, Knochen, Sehnen und Bänder des Frühchen waren zu weich und konnten die rapide Gewichtszunahme nicht mehr kompensieren... "Minni" bekam X-Beine und war
durchtrittig.
Mit extra angepassten Cast-Schienen, sowie ganz kleinen angefertigten Hufklebeschuhen besserte sich ihr Gangbild zunehmend.
Alles in allem war unser "Minni" ganze 128 Tage in Ditterke, wurde mit knapp 150 Litern Milch künstlich ernährt und wurde Anfang Juni mit über 80 kg entlassen.
In diesen Wochen haben wir alle viele Höhen und Tiefen durchleben müssen, sind an unsere Grenzen gekommen und mussten mehr als einmal um das Leben von "Minni" bangen. Jedoch konnten wir durch Teamgeist und Engagement ein wundervolles Pferdeleben retten.
Der Verband der Englischen Vollblüter entschied sich unter drei Namensvorschlägen für den offiziellen Namen "GLÜCKSKIND".
Am 23.01.2017 haben wir alle zusammen "Glückskind" 1. Geburtstag gefeiert!