Stammzelltherapie

 

Der Einsatz von Stammzellen bei der Behandlung bestimmter Lahmheiten des Pferdes eröffnet die Möglichkeit, zusätzlich zu den bisherigen entzündungshemmenden und schmerzlindernden Therapiemöglichkeiten potente Zellen direkt an den Ort des verletzten Gewebes zu injizieren und die Heilung somit gezielt zu fördern.

 Stammzellen sind Zellen, die noch nicht auf ihre spätere Funktion im Körper festgelegt sind. Sie können sich unendlich teilen und die unterschiedlichen Gewebe bilden, aus denen der Körper aufgebaut ist.

Die Spezialisierung zu einer bestimmten Gewebeart nennt man Differenzierung. Stammzellen sind von großem therapeutischem Interesse, da sie die Fähigkeit besitzen, die Regeneration, also die Wiederherstellung der Gewebsfunktion, gezielt zu fördern. Daher wird die Stammzelltherapie auch als „regenerative Behandlung“ bezeichnet.
 
Stammzellen können aus verschiedenen Geweben (z.B. Knochenmark, Blut, Fett, Nabelschnur) entnommen werden. Zur Stammzelltherapie verwenden wir ein innovatives und neues Medikament. 

Die hierbei eingesetzten Stammzellen werden aus dem Blut gesunder, ausgewählter Spenderpferde gewonnen. Danach werden sie im Speziallabor unter standardisierten Bedingungen vermehrt, die Qualität wird überprüft und sie werden „chondrogen induziert“, also so beeinflusst, dass sie nach der Injektion ins Gelenk mit den Knorpelzellen interagieren.
Das bietet eine Reihe von Vorteilen:
 Durch die Auswahl gesunder, junger und unter besten Bedingungen gehaltener Spenderpferde werden nur Stammzellen der höchsten Qualität für das eingesetzte Präparat verwendet.
⦁    Das Spenderpferd erlebt nur einen „Piks“ wie bei einer üblichen Blutentnahme, muss also weder sediert werden noch eine schmerzhafte Prozedur über sich ergehen lassen. Es wird nur eine sehr kleine Menge Blut entnommen.

 
⦁    Es handelt sich um ein vielfach erprobtes, von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA in der gesamten EU für Pferde zugelassenes verschreibungspflichtiges Arzneimittel, welches 2019 als weltweit erstes Stammzell-Präparat zugelassen wurde und unterliegt somit strengen Qualitätsprüfungen.  

 

⦁    Durch die Vordifferenzierung der Stammzellen wird eine größere Sicherheit erzielt, dass sie an den Knorpelzellen anheften und ihre Wirkung entfalten. Dadurch erhöht sich der Erfolg der Therapie.
 

Das Tierarzneimittel steht für die Stammzelltherapie zur unmittelbaren Verfügung. Es muss also nicht mehr wie bei bisherigen Therapien zeitaufwendig aus Zellen, die von dem verletzten Pferd invasiv entnommen und hergestellt werden.


Gemäß den Zulassungsunterlagen sorgt das Arzneimittel, das wir in unserer Praxis einsetzen, für die „Reduzierung von gering- bis mittelgradiger wiederkehrender Lahmheit, die mit einer nicht-septischen Gelenkentzündung bei Pferden assoziiert ist“. Die Anwendung des Produktes ist also bei solchen Lahmheiten möglich, die durch entzündliche Prozesse in einem Gelenkentstanden sind.
Studien zeigen, dass 60% aller Lahmheitsfälle bei Pferden mit Osteoarthritis (OA) zusammenhängen. Die Osteoarthritis ist eine degenerative (also durch Verschleiß bedingte) Gelenkerkrankung. Sie entsteht vor allem durch Überbelastung und zeichnet sich durch eine fortschreitende Veränderung der Knorpel- und Knochenstruktur aus. OA beginnt häufig mit einer Entzündung der Gelenkkapsel. Dadurch gelangen Entzündungszellen, Botenstoffe, Enzyme und freie Radikale in die Gelenkflüssigkeit und greifen die Knorpelsubstanz an. Knorpelzellen, die für die Produktion der Knorpelmatrix zuständig sind, werden zerstört. Es kommt zu Läsionen (Schädigungen) und Degeneration des Gelenkknorpels. Diese schmerzhafte Funktionseinschränkung führt dazu, dass das Pferd lahmt.
Sportpferde wie auch Freizeitpferde sind Athleten. Sowohl beim Spring- oder Westernreiten, bei der Dressur oder bei der Vielseitigkeit kommt es immer wieder zu hohen punktuellen Beanspruchungen der Gelenke. Aber auch ernährungsbedingt oder durch altersbedingten Verschleiß können fortschreitende Veränderungen der Knorpel- und Knochenstrukturen auftreten.

 

Die Therapieansätze der Osteoarthritis verfolgen drei Ziele, um die Wiederherstellung der normalen Bewegungsvorgänge im Gelenk zu erreichen:
⦁    Unterbrechung der Entzündungskaskade und Linderung der Schmerzen
⦁    Stoffwechselvorgänge im Gelenk normalisieren
⦁    Reparatur des beschädigten Knorpels

Therapieablauf
Zunächst wird das Pferd auf die unter sterilen Bedingungen vorzunehmende Injektion vorbereitet. Da das Medikament, das wir einsetzen, ultratiefgekühlt in unsere Pferdepraxis geliefert wird, tauen wir es unmittelbar vor der Injektion auf und bereiten die Injektionslösung nach Herstellerangaben zu. Die Stammzellen sind dann in Pferdeplasma gelöst.

 

Vorgänge im Gelenk nach Stammzellinjektion
Nach der Injektion schütten die Stammzellen im Gelenk immunmodulatorische Faktoren aus, die mit den Entzündungszellen reagieren. Dadurch wird die sogenannte „Entzündungskaskade“ unterbrochen. Die chondrogen induzierten Stammzellen hemmen die Reifung schädlicher Zellen und deren entzündungsfördernde Aktivität sowie die Vermehrung von Lymphozyten und anderen Immunzellen. Die Stammzellen bilden eine gleichmäßige Schicht auf der gesamten Oberfläche des Gelenkknorpels. Sie schütten Wachstumsfaktoren und Botenstoffe aus, um mit den Knorpelzellen zu kommunizieren. Dadurch wird das Absterben der Knorpelzellen gestoppt und ihre Funktion unterstützt. Die Bildung der extrazellulären Knorpelmatrix wird gefördert.